Das EBRO DELTA ( Oktober 2015 )


Am 21.Oktober 2015 geht meine Reise los. Ich fliege von Graz aus mit Zwischenstopp über München nach Barcelona. Ankunft spät am Abend, ich habe aber das Glück, dass meine Tochter Katrin dort auf mich wartet und ich bei ihr übernachten kann.

22.10.2015:

Jetzt geht es wirklich los. Um ca. 10 Uhr starte ich und bin ehrlich froh, dass ich das für zwei Tage das Auto von Ben haben kann, dem Freund von Katrin. Ich habe alles dabei, Fotoausrüstung, Stativ, Spektiv, Gewand, halber Benzintank, Handynavigation, und nicht zu vergessen, eine Sonnenbrille. Ich habe unglaubliches Glück, denn seit meiner Ankunft scheint die Sonne und wir haben blauen Himmel. Das war in den letzten Wochen nicht immer so. Wenn es so bleibt, gelingen mir scharfe Fotos…

 

 

Nach zwei Stunden Fahrt erreiche ich endlich mein Ziel. Ich habe die gebührenfreie Autostraße benutzt und mich brav an die Geschwindigkeiten gehalten.“ Sei vorsichtig, die Polizei straft sehr gerne und hoch!“, rief mir meine Tochter noch nach. 

 

Ich habe vor, um ca. 13 Uhr anzukommen und das Hotel auf zu suchen. Doch es kommt immer anders, als man denkt.  In L’Ampolla, einem kleinem Städtchen zu Beginn des Deltas, biege ich wie hypnotisiert ab und stürze mich regelrecht in das Vogelparadies. Ich glaube, ich hatte nur mehr Vögel im Kopf….

 

 

Das Ebrodelta ist das zweitgrößte Feuchtgebiet Spaniens und nach dem Nildelta das zweigrößte Delta im Mittelmeerraum. Über 300 km² erstreckt es sich und ist berühmt für den Reisabbau. Es soll auch das fruchtbarste Gebiet in Spanien sein. Natürlich der ideale Lebensraum für über 400 Vogelarten, sei es, dass sich hier Einheimische, Zugvögel oder Wintergäste die Flügel reichen. Ende Oktober ist der Reis abgeerntet, somit bietet sich eine Vielfalt an übriggebliebene Erntereste an. Lurchen, Amphibien und Fische an der Küste sind klarerweise auch sehr beliebt.  Also ein All Inklusiv Urlaub für unsere kleinen Freunde. 

 

 

Gleich nach der ersten Kurve steige ich auf die Vollbremse. Nein, kein Reh oder Fußgänger springt über die Straße, es ist die überwältigende Landschaft, die mich sofort fesselt. Im Spiegelbild der Mittagssonne reihen sich Reisfelder an Reisfelder, die noch unter Wasser stehen. Und was mich noch mehr fasziniert, sind die vielen Vögel, die in den Feldern stehen. Hunderte Reiher und Möwen erzeugen einen ungeheuerlichen Lärm, die sich Luftkampf um Beute streiten und sich den besten Futterplatz erringen wollen. Zumindest ab diesen Zeitpunkt habe ich Zeit und Raum vergessen. 

Ich steuere nun in Richtung Riomar, zum äußerten Punkt des Deltas. Dieser Badeort ist mehr oder wenig eine Touristenattraktion, geschaffen für Angler, Naturliebhaber und Wassersportler. So  gestalten sich unzählig viele Pausen, wo ich mit rechter Hand Fotoapparat, linker Hand das Spektiv und um den Hals das Fernglas ausgestattet, die Vogelwelt erkunde. Ich bin mir schon der vielen fragenden Gesichter bewusst, die mich ungläubig anstarren und weiß Gott, sich was denken mögen. Zumindest kommt der Gedanke „ So ein Irrer“ der Wahrheit schon nahe, aber dies stört mich nicht. Meine Geduld und Aufwand lohnt sich. Ich entdecke ein Feld mit den seltenen Sichlern, schwarz schillernde storchenähnliche Vögel, Schwärme von Stare umkreisen mich und ab und zu fliegen Grau- Seiden- und Silberreiher über mich hinweg. 

In Riomar, nach kurzer Essenspause, spaziere ich dann über Sanddünen entlang der Sand- und Grassteppe. In weiter Ferne sehe ich einen Aussichtsturm. Ich weiß, dass diese 30 Meter hohe Warte am Mündungspunkt des Ebros liegt und einen Überblick über die gesamte Lagune ermöglicht. So stapfe ich 2 Kilometer durch die Lagune und erreiche zum Sonnenuntergang mein Ziel. Ich hätte kein besseres Timing erwischen können: Die Sonne geht hinter den Bergen unter und wirft ihr gelb-oranges Licht über den breiten Ebro. Die letzten Fischer halten ihre Angeln ins Süßwasser und hoffen auf ein Zucken ihrer Posen, um Wolfsbarsche, Karpfen, Barben, Palometas, Goldmakrelen, Meeräschen u.a. zu fangen. Der Übergang zum Salzwasser lockt natürlich auch Seltenheiten aus dem Meer an. Nicht nur Vogelliebhaber wie mich, sondern auch Angler besuchen das Ebro Delta als das fischreichste Delta Europas.

Es ist Zeit, wieder zum Auto zu marschieren. Mutterseelenallein stapfe ich durch die hohen Gräser der Lagune, die Stechmücken sind meine einzigen Begleiter in der Finsternis, die mich umgibt.

23.10.2015:

Ich stehe früh auf und beeile mich beim Frühstück. Ich möchte die Gunst der Stunde nutzen und frühmorgendliche Wasservögel am Beobachtungshäuschen in der Lagune beobachten. Jedoch ist die Enttäuschung groß. Einige Blässhühner und Komorane sind zu sehen, leider keine Flamingos. Auf die hatte ich es abgesehen, aber dieses Glück hatte ich nicht. So breche ich bald ab und begebe mich in Richtung Fangar, einer Meeresbucht im nördlichen Teil des Deltas. Zu Mittag komme ich an und springe sofort ins herrliche dunkelblaue Wasser. Kilometer langer, leerer Sandstrand ist zu sehen, abgesehen von einigen Campern aus Belgien und Frankreich.

 

Die Rückfahrt beginnt. Ich habe vor, so um ca. 16 Uhr die Heimfahrt nach Barcelona anzugehen. Jedoch mein Forscherdrang ist noch nicht gestillt. Das kann doch nicht alles gewesen sein, was ich bisher zu sehen bekommen habe. Wo sind meine Limikolen, Watvögel? Wie gerufen, als hätte jemand meine Gedanken gelesen, fliegt ein so kleiner emsiger Vogel neben dem Auto vorbei und gibt ein schrilles staccatoartiges Rufen von sich. Er setzt sich auf eine Steinmauer am Rande der Straße und wartet auf mich. Ein Flussuferläufer! Ich fahre im Schritttempo weiter und kurble die Fenster herab. Wie ein Model sitzt er dort und lässt sich knipsen. Nach einem herzlichen Dank schön verabschiede ich vom ihm und fahre weiter, zum nächsten Star unter den Seltenheiten Spaniens. Ein Purpurhuhn taucht aus dem Dickicht auf. Doch die Glücksmomente hören nicht auf, mein Serotoninspiegel ist voll auf Höhe. Rotschenkel, Bruchwasserläufer, Eisvogel, Kuhreiher geben sich das Stelldichein. Mir kann es nur Recht sein. Mein Ausflug ins Ebro Delta hat sich gelohnt!

Es ist 20 Uhr, als ich in Barcelona ankomme. Wieder hat mich die übliche Welt der Unruhe, Hektik und Menschenmengen. Nicht nur, wie es nicht anders zu erwarten war, irre ich trotz Handynavigation in Barcelona herum und finde mein Ziel nicht, nicht nur treibt mich letztendlich die Parkplatzsuche auf den Montjuic , um dann mit Sack und Pack in der Wohnung anzukommen. Ich falle in den Schlaf, jedoch die Eindrücke vom Ebro Delta und seiner Bewohner begleiten mich in den Schlaf und machen mich glücklich.